Wir schreiben das Jahr 2001: Frau Regina Colin vom deutsche Kulturverein in Joinville äußert gegenüber Thomas Hennig (Komponist und Dirigent aus Berlin) den Wunsch, die deutsch-brasilianische Oper YARA aus dem Jahr 1936 in Joinville zu einer Wiederaufführung zu bringen. Zu dieser Zeit verfügt Joinville selbst über kein Ensemble, die Noten der Oper YARA gelten als verschollen und sie kann Thomas Hennig lediglich eine (nicht nummerierte) Kopie ihres Druckexemplares des ursprünglichen, aber schwachen Libretto geben, das vom Komponisten Josef Anton "Pepi" Prantl damals zwar übernommen, jedoch inhaltlich maßgeblich verändert inszeniert wurde.
Die Bitte zur Wiederaufführung stand 2001 am Anfang meiner mittlerweile schon über zwei Jahrzehnte dauernden Arbeit. Der deutsche Kulturverein in Joinville, Frau Regina Colin, instruierte mich damals mit dem Wenigen, das sie bis dahin zur Entstehung und Uraufführung der Oper YARA des Komponisten Josef Anton "Pepi" Prantl in Joinville zusammentragen konnten.
Zuerst galt es deshalb für mich, das Notenmaterial zu suchen. Natürlich konnte man in Brasilien in keinem Archiv fündig werden. Es lag auf der Hand, dass Prantl es 1937 für die von ihm angestrebte Wiederaufführung in Deutschland mitgenommen haben musste.
Bei meinen Recherchen stieß ich letztlich in Österreich auf seinen aus zweiter Ehe stammenden Sohn Wolfram. Er und seine Familie gewährten mir 2003 freundlicherweise Zugriff auf den umfangreichen künstlerischen Nachlass von Pepi Prantl.
Die editorische Arbeit zur Erstellung einer Partitur, die aus dem überlieferten Notenmaterial erst geschrieben werden musste, beschäftigte mich daraufhin mehrere Jahre.
Nach Absprache mit dem deutschen Kulturverein in Joinville, habe ich 2006/2007 mit einem brasilianischen Regisseur aus Belo Horizonte an einer funktionierenden Konzeption gearbeitet. Es lag deshalb nahe, die größte Kulturinstitution der Stadt (Palacio das Artes, Fundação Clóvis Salgado) in die Planung mit einzubinden. Die damalige künstlerische Direktorin Sandra Costa Almeida de Lino Faria war sehr interessiert und hatte angeboten, dieses Projekt auch gemeinsam mit Joinville zu bestreiten.
Da die Geschichte von Pepi Prantl mit der Geschichte der deutschen Siedler in Brasilien Parallelen aufweist, und die Oper YARA nicht zuletzt durch nationalsozialistische Rassenpropaganda zu Fall gekommen war, hätte eine Aufführung in Brasilien und Deutschland (am besten in Berlin) neben dem Effekt der Wiederaufführung nach so langer Zeit (damals 70 Jahre) auch einen historischen Stellenwert. Deshalb klärte ich in Folge die Möglichkeit, eines geeigneten deutschen Parts für ein bilaterales Vorgehen.
Das Projekt YARA scheiterte allerdings, als es über den damaligen Governador plötzlich nach Florianopolis gezogen wurde. Die neuen Veranstalter:innen wollten dabei sowohl auf den Regisseur, als auch auf meine Mitwirkung verzichten. Im Sinn der Sache, habe ich mich damit einverstanden erklärt und das Notenmaterial zu einem üblichen Preis angeboten. Alle Gespräche wurden dann aber abgesagt und ich wurde von ihnen auch nie wieder angesprochen.
Thomas Hennig, Berlin – Dezember 2022
Lange Zeit wurde der musikalische Nachlass von Josef Anton "Pepi" Prantl von seiner Familie in Vorarlberg (Sohn Wolfram mit Gattin Aletha) gut gesichert und verwahrt. Dabei konnte in Vorarlberg niemand erahnen, dass ihm in der deutsch-brasilianischen Musik-Geschichte wohl eine sehr bedeutende Rolle zugesprochen wird.
Es waren vor allem seine Solo-Lieder die von Aletha Prantl (eine ausgebildete Sopranistin) bei einigen ihrer Auftritte gesungen wurden bzw. bei einem Chorkonzert unter der Leitung von Vera Prantl-Stock (Enkelin von Pepi Prantl) zur Aufführung kamen. Doch einzig, da Thomas Hennig die Partitur der Oper YARA aus Pepi's handschriftlichen Notenmaterial in mühevoller Kleinarbeit rekonstruiert und in Folge eine professionelle Wiederaufführung angestrebt hat, konnte sie letztlich aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden.
Noch Anfang 2005 schrieb seine Enkelin Vera in ihrer (ihn als den Künstler Pepi Prantl behandelnden) Fachbereichsarbeit (Zwischen Heimat und Sehnsucht): "Pepi Prantl: Ein junger, aufstrebender, aber nur mäßig erfolgreicher Musiker, Kapellmeister und Komponist der 20er-Jahre, ein angesehener und sehr geschätzter Komponist und Künstler im Brasilien der 30er-Jahre und schließlich ein über alle Maßen engagierter Musiker und Musikdirektor bzw. Musiklehrer im Bludenz der 40er und 50er-Jahre."
Bekannt war zudem: Thomas Hennigs Versuch einer bilateralen Wiederaufführung (quasi zum 70jährigen Jubiläum) scheiterte. Ergänzt werden muss an dieser Stelle, dass ein zweiter Anlauf von Hennig in Brasilien acht Jahre später auch wieder im Sand versickerte. Zu aufwändig, zu kostspielig, zu anspruchsvoll scheint eine nachhaltige und professionelle, bilaterale Produktion der Oper YARA zu sein.
Eine Aufführung (nur) in Berlin oder (nur) in Vorarlberg kam für alle Beteiligten jedoch nicht in Frage. Andere Bemühungen – etwa mögliche Komponisten-Beteiligungen bei unterschiedlichsten Konzertveranstaltungen in Vorarlberg oder einer kuratierten Ausstellung in einem kulturgeschichtlichen Museum in Vorarlberg – blieben aber auch erfolglos.
In Joinville gelang es dafür 2009 den Musikern Raimundo Bernardes und Claudenor Fávero, ein sehr innovatives Projekt namens "A nova música antiga de Joinville" umzusetzen. Dabei transponierten, interpretierten und arrangierten sie für ihre Gitarren zahlreiche in Joinville zwischen 1900 und 1940 komponierte Lieder der unterschiedlichsten Komponist:innen. Mehrere dieser im Archiv der Harmonie-Lyra gefundenen Lieder stammen... genau: von Pepi Prantl.
Im August 2010 veröffentlichten sie mit einer Lied-Auswahl eine gleichnamige CD und im März 2021 konnte sogar noch die spannende TV-Dokumentation "nossos compositores pioneiros" von Regisseur Ebner Gonçalves präsentiert werden.
In Folge war das "Duo Fávero & Bernardes" bzw. das "Quarteto Sambaqui" wenigstens zweimal in Europa...
Martin Stock, Mäder – Dezember 2022
Im Januar 2022 wurde Vera Prantl-Stock, wie auch Thomas Hennig von Marcos Holler (Professor für Musikwissenschaft an der Universidade do Estado de Santa Catarina, Brasilien) kontaktiert. Es ging um eine laufende Forschungsarbeit, in der die Präsenz der deutschen Kultur in der Musik in Joinville ab dem Auftreten des Österreichers Josef Anton "Pepi" Prantl – mit Schwerpunkt auf die Oper YARA – kontextualisiert werden sollte.
Bald entwickelte sich ein reger und konstruktiver Austausch mit Marcos Holler – im April trafen wir uns sogar für ein längeres Arbeitsgespräch in München. Wir erfuhren über ihn von einigen Aktivitäten in Brasilien, die rund um Pepi Prantl entwickelt wurden. Auch von der noch immer bestehenden Motivation, die Oper YARA wieder zur Aufführung zu bringen. Grund genug für uns, mit dem Aufbau einer Komponisten-Präsentation zu starten, damit die Biografie von Pepi Prantl – soweit sie gültig nachvollziehbar ist – korrekt dargestellt wiedergegeben werden kann.
Wir sehen diese Webseite als lebenden Prozess. Dank Marcos Holler und seinen Mitarbeiterinnen, wie auch unserer eigenen, umfangreichen Recherchen stoßen wir immer wieder auf neue Fakten, Hinweise, Bilder, Tagebücher, Pressemeldungen... die wir hier gerne nach und nach ergänzen möchten.
Dazu haben sich Thomas Hennig und Martin Stock im Sommer/Herbst 2022 nochmals sehr intensiv mit der Oper YARA auseinandergesetzt. Ausgehend vom originalen Libretto von 1930/31, über das verbesserte Libretto der Uraufführung welches der Partitur von 1936 entnommen werden konnte, haben sie gemeinsam eine aufführungsfähige Fassung erarbeitet, die nunmehr mit der bereits seit über 15 Jahren spielfähigen Partitur von Thomas Hennig zur Verfügung steht.
Damit stünde einer neuen Opern-Produktion nun wirklich (fast) nichts mehr im Wege...
Martin Stock, Mäder – Dezember 2022